Sabine Bucher-Thumm
1959 geboren, Mutter von zwei Kindern und eine stolze Oma
Durch private Ereignisse habe ich den spirituellen Weg gefunden und mich neu orientiert.
Vor vielen Jahren ist mein großer Bruder mit 24 Jahren durch einen Verkehrsunfall aus meinem Leben gerissen worden.
Ich habe damals die Trauer regelrecht verdrängt, unwissend, wie wichtig die einzelnen Trauerphasen sind.
Nur nicht vor der Mama weinen, vor den Geschwistern (wir sind zu sechst aufgewachsen) stark sein, und versuchen die Lücke zu füllen.
Doch diese Lücke kann niemand füllen! Sie braucht auch nicht gefüllt zu werden, das habe ich drei Jahrzehnte später für mich begriffen.
Die Lücke wird langsam erträglich in der radikal veränderten Wirklichkeit.
Sie wird etwas kleiner, doch immer wird ein Spalt offen bleiben, und durch diesen werde ich, solange ich lebe, mit meinem verstorbenen Bruder verbunden sein.
Doch bis zu dieser Erkenntnis war es ein weiter Weg. Nach dem Ende meiner langjährigen Ehe habe ich angefangen, mich selbst zu reflektieren.
Ich habe über Jahrzehnte nur funktioniert, ohne in mich hinein zu horchen.
Aufenthalte im Kloster Wülfinghausen und auf dem Schwanberg, Arbeiten und Beten, Zeiten der Stille, und die Ausbildung zum Geistigen Heilen nach SOULSOMA mit Sterbe- und Trauerbegleitung bei Beate Seemann, haben in mir eine andere Richtung geöffnet: immer wieder aufs Neue in mir heil zu werden.
Und ganz nebenbei bemerkte ich dann diese andere Seite in mir, diese einfühlsame und fragende, diese suchende nach Ursache und Wirkung, eben diese spirituelle Seite, die schon so lange in mir schlummert.
Ich hatte bereits ganz unbewusst liebe Menschen beim Sterben begleitet: meine beiden Omis, meine Freundin in England und den Sohn meiner Freundin, der dreizehnjährig an einem Gehirntumor verstarb.
Die Zeit heilt keine Wunden - der Schmerz wird langsam erträglich – nur wer Trauergefühle zulässt, der wird Heilung erfahren.
Die wertvollen Erfahrungen, besonders aus meiner eigenen Trauerverarbeitung und Trauerbewältigung, wollte ich gerne weitergeben.
Die Weiterbildung als zertifizierte Trauerrednerin folgte.
Viele helfende Wegbegleiter unterstützen mich, meine Richtung zu finden. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Als meine Tochter im November 2021 ihren Sohn tot gebären musste, zog es mir wieder den Boden unter den Füßen weg. Matteos Herz hatte in der 34. Woche aufgehört zu schlagen, einfach so. Es war für mich, als stehe die Zeit erneut für einen Augenblick still, wie damals. Fassungslos, sprachlos, ohnmächtig und hilflos.
Was mir hilft in meiner Trauer, ist die Liebe und die Dankbarkeit.
Dankbar, dass ich ihn spüren durfte. Die Gefühle, die Matteo in mir hervorgerufen hat, ist in Worten nicht zu beschreiben. Ich bin dankbar für die Freude, die durch ihn in mein Herz kam. Dankbar für die Liebe, die ich für ihn empfinde. Liebe ist die Verbindung zu allem. Liebe hilft uns, den unsagbaren Schmerz anzunehmen, damit wir einen Weg durch die Trauer finden.
Ich konnte meine Tochter und meinen Schwiegersohn in dieser schweren Zeit hilfreich unterstützen. Durch meinen Weg beim Bestatter hatte ich die Chance, meinem Enkelsohn ganz nahe zu sein, ihm liebevoll den Strampler anzuziehen, eine Aufbahrung zu ermöglichen, damit die jungen Eltern sich in aller Ruhe verabschieden können. Sie konnten Tag und Nacht zu ihm, sie bemalten den Sargdeckel und gaben ihm Stofftiere und Briefe mit in den kleinen Sarg. Ich organisierte die Beerdigung und hielt eine einfühlsame Rede.
Durch Matteo bin ich erneut ein Stück gewachsen und helfe dadurch Familien und Mütter mit einer stillen Geburt.
Und wieder habe ich helfende Wegbegleiter an meiner Seite. Die Geburt meines zweiten Enkelsohnes Milo ist eine Bereicherung in unserem Leben.